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Das Ende des klassischen Recruitings

Aus den Medien sowie Gesprächen mit Geschäftsführenden sowie Personalmanagern wissen wir, wie schwierig es in den letzten Jahren geworden ist, gute Fach- und Führungskräfte zu finden.

Wie Sie mit Potenzialmanagement den Fachkräftemangel besiegen

Ein Beitrag von Michael Kühner und Manuel Schuchna für das E-Book ,,GmbH-Geschäftsführung 2023″ des Euroforums

Gewinner und Verlierer im Wettlauf um Fach- und Führungskräfte

Aus den Medien sowie Gesprächen mit Geschäftsführenden sowie Personalmanagern wissen wir, wie schwierig es in den letzten Jahren geworden ist, gute Fach- und Führungskräfte zu finden. Die Methoden bei der Anwerbung von Personal werden immer kreativer, das Employer Branding immer ausgefeilter, die Anreize und Benefits für neue Mitarbeiter immer höher geschraubt.

Wer sind eigentlich die Gewinner oder auch Verlierer in diesem Wettkampf?

„Gewinner“ sind auf jeden Fall die gut ausgebildeten Fach- und Führungskräfte auf dem Markt, die sich die Jobs inzwischen weit- gehend aussuchen können und zusätzlich Ansprüche stellen, die
manch einen Entscheider ins Schwitzen bringen, muss er oder sie doch gleichzeitig die Balance im Kontext der vorhandenen Belegschaft mit entsprechenden Gerechtigkeitsforderungen wahren.

„Verlierer“ sind zumindest diejenigen Unternehmen, die aktuell unter einem hohen Kostendruck leiden (besonders bedingt durch die derzeitigen Krisen) und dennoch Personal brauchen, um ihre Leistungs-
fähigkeit erhalten zu können bzw. für Zukunftsthemen auszubauen. „Verlierer“ sind in einem gewissen Maße auch Unternehmen, die sich in einer Wachstumsphase befinden bzw. das Potenzial haben, mehr
Produkte und Dienstleistungen herzustellen und dem Markt liefern zu können. Die Wachstumsgrenzen sind auch hier die dringend benötigten Fachkräfte.

„Verlierer“ sind häufig aber auch diejenigen Bewerber, die leistungs- bereit sind, aber über weniger hoch angesehene Qualifikationen bzw. Erfahrungen verfügen.

Ein Blick in den Stellenmarkt zeigt recht gut auf, wie Unternehmen mit dem Fachkräftemangel umgehen. Ca. 90 % der Stellenanzeigen bestehen nach wie vor aus lauter Qualifikations- und Erfahrungs-
anforderungen, scheinbar verbunden mit der Hoffnung, ein paar „Krümel“ vom Bewerbermarktkuchen abzubekommen.

Die bessere Alternative: Potenzialrecruiting

Einige wenige Unternehmen scheinen eine andere Strategie anzuwenden, um vielleicht nicht „fertige“ aber „gute“ Leute zu bekommen. Sie setzen auf Quereinsteiger, Menschen aus fachfremden
Disziplinen oder geben auch Bewerbern eine Chance, die über wenig Erfahrung verfügen.

Geschieht das aus purer Not oder steckt tatsächlich ein Erfolgsrezept dahinter?

Aus einzelnen Gesprächen mit Geschäftsführern solcher Unternehmen wissen wir, dass mit diesem Ansatz tatsächlich gute Erfahrungen gemacht werden. Ein IT-Unternehmer mit knapp 100 Mitarbeitenden erzählte, dass er schon lange nicht mehr die fertig qualifizierten Bewerber in ausreichendem Maße bekommt. Daher setzt er auf Quereinsteiger, die entsprechend intern angelernt und qualifiziert werden. Ein mühsamerer Weg, aber unter dem Strich lohnenswert und profitabel.

Wir nennen diesen Ansatz, den diese Unternehmen bereits gehen, Potenzial recruiting!

Menschen mit Potenzial werden einfacher gefunden, das Gehaltsniveau im Betrieb bleibt stabil und die neuen Mitarbeitenden honorieren eine gute Einarbeitung und Qualifizierung mit Loyalität (wobei es hier noch an Studien fehlt).

Die Herausforderung für diesen Ansatz besteht nun darin, wie man effektiv heraus- findet, welche Bewerbende Potenzial haben und welche nicht, denn eine Einarbeitung und ggf. längerfristige Qualifizierung benötigt natürlich Zeit und kostet ebenfalls Geld, so dass dieses Investment umso
wirksamer wird, je besser man die richtigen Potenzialträger oder Potenzialträgerinnen
gewinnt.

Das führt uns nun dazu das, Thema Potenzialrecruiting und Potenzialmanagement genauer zu beleuchten. Was bedeutet Potenzial im Unterschied zur Kompetenz? Wie geht man idealerweise vor, um die benötigten Potenziale auch möglichst mit einer hohen Erfolgsprognose festzustellen?

Der Unterschied zwischen Potenzial und Kompetenz – ein tierisches Beispiel

Wenn von Potenzial- und Kompetenz die Rede ist, sind unweigerlich Missverständnisse vorprogrammiert. Das liegt daran, dass sowohl in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung als auch in der unternehme-
rischen Praxis sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber existieren, was damit gemeint ist. Um hier nicht in eine theoretische und für die Praxis weitgehend nutzlose Debatte zu diesem Thema abzudriften,
erheben die folgenden Ausführungen nicht den Anspruch einer objektiven Richtigkeit im wissenschaftlichen Sinn, sondern stellen eine Perspektive von Praktikern für Praktiker dar.

Für die Anwendung in der Praxis ist die Frage der Unterscheidung von Potenzial und Kompetenz von grundlegender Bedeutung. Zur Veranschaulichung wählen wir ein unwissenschaftliches Beispiel aus der Tierwelt.

Ein Pinguin, eine Schnecke und ein Gepard werden zu einem Auswahlverfahren eingeladen. Wie in solchen Verfahren häufig üblich, soll anhand von Übungen herausgefunden werden, wie gut jeder Kandidat ist. Denn es geht um nichts Geringeres als den nächsten Karriereschritt, bei dem eine Stelle als
„Distanzüberwinder“ in Aussicht steht. Aus Kostengründen wurde beschlossen, dass das Verfahren aus nur einer Übung besteht: Alle drei Kandidaten sollen so schnell wie möglich eine Distanz von 50 Metern auf
einem ebenen Weg zurücklegen. Für die Entscheider ist bereits vor der Übung klar, wer hier die Nase vorn haben wird. Denn aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung haben sie ein gutes Gespür für die Eignung
von Kandidaten für bestimmte Aufgaben. Um jedoch allen Kandidaten dieselben Chancen zu geben und sich nicht dem Vorwurf der Voreingenommenheit auszusetzen, halten sie sich an den vorgegebenen
Auswahlprozess. Die Übung startet, und die Kandidaten überwinden die Distanz so gut,
wie es jedem möglich ist. Aus Gründen der Chancengleichheit muss natürlich abgewartet werden, bis alle Kandidaten die Übung absolviert haben, auch wenn schon zwischenzeitlich erkennbar ist, dass es vom
gesunden Menschenverstand her keinen Sinn macht. Und so zieht sich das Verfahren über mehrere Tage hin, bis auch die Schnecke die Übung abschließen konnte.

Sowohl der Pinguin, als auch der Gepard und sogar die Schnecke haben die Kompetenz „Überwinden einer Distanz“ gezeigt, zwar in unterschiedlicher Ausprägung, aber alle konnten die Übung abschließen. Kompetenz wird im Allgemeinen als bewusst oder unbewusst abrufbare Fähigkeit zum zielgerichteten Verhalten verstanden, wobei dieses zielgerichtete Verhalten anhand von Verhaltensankern beobachtet und bewertet werden kann. Es ist zwar objektiv richtig, dass alle drei Tiere – wenn auch auf unterschiedlichem Niveau – die Kompetenz zum Überwinden einer Distanz auf dem Landweg gezeigt
haben, aber diese Erkenntnis hilft in der Praxis wenig. Sofern dann noch zur Steigerung der Kompetenz Schulungen angeboten werden, klingt das in Bezug auf die Schnecke bestenfalls lustig, eher sarkastisch. Wenn so etwas in der gelebten Unternehmenspraxis stattfindet, ist es nicht mehr lustig. Für die betreffende Person ist es eine Qual und für das Unternehmen hinausgeworfenes Geld.

Spätestens an dieser Stelle kommt der Begriff Potenzial ins Spiel. Während im geschilderten Beispiel die Kompetenz das gezeigte und wahrnehmbare Überwinden der 50-Meter-Distanz war, spiegelt sich das
Potenzial z. B. im Bauchgefühl der Führungskräfte wider, die aufgrund ihrer Erfahrung mit Aufgaben und Mitarbeitenden von den erkennbaren Voraussetzungen eines jeden Tieres auf dessen Möglichkeit zur
Kompetenzentfaltung geschlossen haben. Natürlich würde niemand im echten Leben eine Schnecke auf einen Kurzstreckenlauf schicken. Das ist doch klar. So klar scheint es aber nicht in allen Unternehmen zu sein. Bei den Tieren ist es noch recht einfach, ihr Potenzial, also ihre für die Kompetenz erforderlichen
persönlichen Grundvoraussetzungen einzuschätzen, weil es der Körperbau auf den ersten Blick verrät.

Wenn auch nicht in gleicher Weise, aber zumindest recht ähnlich, schätzen Talentscouts von Sportvereinen das Potenzial von Nachwuchssportlern ein. Ein kleiner Mensch hat weniger Potenzial, um als Basketballer erfolgreich zu werden, und ein muskelbepackter Riese auf dem Rücken eines Rennpferdes wird eher das Reittier in die Knie zwingen als es im Galopp als schnellster über die Ziellinie zu bringen.
Wenn die beiden beschriebenen Sportler dagegen in Disziplinen aktiv werden, die ihrem körperlichen Potenzial entsprechen, werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine steile Lern- und Leistungs-
kurve aufweisen.

Bei den üblichen Kompetenzen im Unternehmenskontext ist es nicht immer leicht, das Potenzial von Bewerbern einzuschätzen. Denn Potenzial ist niemals absolut, sondern immer relativ und gerichtet auf ein konkretes Zielprofil. Die Frage „Für welches Zielprofil ist denn ein Bewerber ein High Potential?“, führt weiter. Denn hinter dieser Frage verbirgt sich die Aufforderung zur analytischen Reflexion des Potenzialprofils dieses Bewerbers mit dem Kompetenzprofil des angedachten Zielprofils,

Der Pinguin aus unserem Beispiel hilft, diesen analytischen Vorgang praktisch nachzuvollziehen. Dieser Pinguin ist nämlich ein High Potential. Natürlich nicht für den Kurzstreckenlauf an Land, aber stattdessen für die Kompetenz Schwimmen (z. B. Kernkompetenz der Zielfunktion B).

Potenzial ist vielschichtig

Was bei Tieren wieder einfach erscheint, erfordert im Kontext der Arbeitswelt gut durchdachte, mehrdimensionale Analysen. Dabei werden je nach Aufgaben- oder Stellenprofillen) und davon ab- geleiteten Kompetenzprofilten) unterschiedliche Potenzialfaktoren betrachtet. Während das Potenzial des Pinguins und der Schnecke für die Kompetenz Kurzstreckenlauf anhand der Beinlänge und anatomie bewertet werden kann, kommen im unternehmerischen Kontext Potenzialfaktoren aus dem Bereich der Wesensmerkmale, Werte, Antreiber, kognitiven Fähigkeiten und Affinitäten zum Einsatz. Um das Potenzial einigermaßen belastbar einschätzen zu können, sollte es aus mehreren Perspektiven, das heißt, anhand
unterschiedlicher Potenzialfaktoren betrachtet werden.

Das folgende Schaubild zeigt auf, wie facettenreich Potenzial ist. Wir wissen aus dem Sport sehr gut, dass das Talent, wie man dort häufig sagt, allein nicht ausreicht. Talente sind lediglich gut ausgeprägte
Basisfähigkeiten (z. B. körperliche Konstitution, Grundschnelligkeit, Reaktionsvermögen etc.). Genauso wichtig sind neben Affinitäten, Werten und Motiven auch die Selbstlern- und Reflexionsfähigkeit,
Willensstärke sowie Durchhaltevermögen. Im Sport spricht man von einem „ewigen Talent“, wenn die Potenziale nicht in konstante Leistung umgesetzt werden. Es ist wichtig, Potenzial ganzheitlicher
zu betrachten und nicht nur auf einzelne Faktoren zu reduzieren.

Stärkenorientierte Mitarbeiterentwicklung – vom Potenzial zur Kompetenz

Potenzialmanagement beginnt nun dort, wo nach den Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung auf Grundlage der Potenzialprofile geschaut wird. Potenzialprofile stellen jedoch keine Garantie für erfolgreiche Kompetenzentwicklung dar, aber sie erhöhen signifikant deren Wahrscheinlichkeit.

Ein Gepard hat ein außergewöhnlich hohes Potenzial für Kurzstreckensprints. Aber wenn dieser Gepard in einem Käfig im Zoo eingesperrt ist, wird er sein Potenzial nicht entfalten können. Insofern können mit Potenzialmanagement zwar aussichtsreiche Kompetenzentwicklungsvoraussetzungen identifiziert werden, aber auch das beste Potenzialmanagement kann nicht gewaltsam Käfige öffnen oder geänderte Rahmenbedingungen herbeizaubern. Manchmal jedoch hilft Potenzialmanagement, um einen Zoodirektor faktenbasiert zu überzeugen, dass der Gepard besser in der Savanne aufgehoben ist als im Käfig. Dann kann es vorkommen, dass Zoodirektoren Tiere aus hinderlichen Rahmenbedingungen befreien und dort einsetzen, Wo sich ihre Potenziale am besten entfalten können.

Potenzialmanagement kann somit als stärkenorientierte Mitarbeiterentwicklung und -förderung verstanden werden. Wenn sich dann ein Pinguin auf die Stelle des Kurzstreckenläufers bewirbt, brauchen
Unternehmen kein Auswahlverfahren durchzuführen, um die stellenbezogenen Defizite des Pinguins für alle peinlich zur Schau zu stellen.

Potenzialorientierte Arbeitgeber bieten einem solchen Pinguin Bewerber eine Potenzialanalyse an, erstellen ein Potenzialprofil und schauen dann mit Hilfe ihres Potenzialmanagementsystems, welches
Zielprofil am besten für den Pinguin geeignet ist und beraten ihn aus dem Blickwinkel einer Potenzialperspektive: Welche Kompetenz(en) könnte dieser Pinguin mit Freude, Leichtigkeit und Erfolg entwickeln? In welchen Stellen sind diese Kompetenzen zu finden?

Wenn der Pinguin merkt, dass es um ihn und um seine Potenzialentfaltung geht, dann ist Potenzial- und Kompetenzmanagement nicht nur ein wirksames Instrument, sondern eine Kultur aus Wert-
schätzung und Menschlichkeit. Pinguine, Schnecken und Geparde, die von ihren Arbeitgebern so behandelt werden, honorieren diese Wertschätzung mit geringerer Fluktuation, niedrigeren Kranken-
quoten und einer signifikant höheren Produktivität. Wenn Kompetenzmanagement dann auf einem solchen Potenzialmanagement aufsetzt, macht Potenzialrecruiting sowie -entwicklung nicht nur
Sinn, sondern bewirkt auch betriebswirtschaftlich einen hohen Return on Investment. Diese Menschen sind glücklicher und arbeiten höchst motiviert.

Wer mehr über Potenzial- und Kompetenzmanagement erfahren möchte, findet weiterführende Informationen im gleichnamigen Buch vom Mitautor dieses Artikels, Manuel Schuchna, erschienen im
Schäffer-Poeschel Verlag: Innovatives Potenzial- und Kompetenzmanagement: Mit Affinitätenprofilen zu besseren Personalentscheidungen.

Für weitere spannende Einblicke schauen Sie doch gerne bei unseren Best Practice vorbei.

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