Ein Gastbeitrag von Judith Klups
Ob wir von New Work, Digitalisierung oder Digitaler Transformation sprechen, klar ist: die Arbeitswelt befindet sich in einem fundamentalen Wandel und „Arbeit“ befindet sich auf dem Weg in die nächste Evolutionsstufe. Die Digitalisierung ist womöglich der stärkste Treiber, denn sie verändert alles: unsere Art zu arbeiten, zu leben, zu kommunizieren, zu führen. Die Art, Wissen zu erwerben, weiterzugeben und zu erweitern, sich Informationen zu beschaffen und zu teilen. Die Art, zu konsumieren, zu (ver)kaufen und zu teilen. Die Veränderung bezogen auf die Arbeitswelt werden einschneidend sein: Dienstleistungen und Produkte werden sich womöglich komplett verändern, Arbeit wird kein Ort mehr sein, an den man geht und die Aufgaben, die Arbeitsweise, Arbeitszeiten und -orte werden sich wandeln. Aufgaben werden komplett wegfallen, dafür kommen neue hinzu, die wir heute noch nicht benennen können. Wenn Unternehmen bereit sind, sich frühzeitig mit dem Wandel auseinanderzusetzen, birgt er große Chancen: sich zukunftsgerichtet aufzustellen, Innovationsführer und ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben oder zu werden und „Arbeit“ so zu gestalten, dass eine Balance zwischen den Anforderungen des Unternehmens sowie denen der Mitarbeiter entsteht.
Der Weg in die Arbeitswelt von Morgen ist für jedes Unternehmen ein individueller Gestaltungsprozess. Aktives Gestalten ist jedoch in einer Welt, die geprägt ist von Veränderungen, herausfordernd. In einem ersten Schritt gilt es, die Ganzheitlichkeit und Grundsätzlichkeit des Wandels der Arbeitswelt zu realisieren und zu akzeptieren.
In einem zweiten Schritt gilt es, sich zu fokussieren und Komplexität zu reduzieren. Unternehmen brauchen eine klare Zukunftsstrategie und einen daraus abgeleiteten Fahrplan in Richtung Zukunft. Kernelement der Zukunftsstrategie ist ein gemeinsames Zukunftsbild, denn nur, wenn alle Beteiligten in eine ähnliche Richtung blicken, können sie einen gemeinsamen Weg verfolgen. Existiert ein gemeinsames Verständnis von der Zukunft des Unternehmens, können die unterschiedlichsten Wege dorthin genommen werden.
Future Work-Profile gestalten
Um zukunftsfähige Organisationen zu gestalten ist eine zentrale Fragestellung, welche Kernaufgaben in Zukunft erfolgskritisch sein werden und wie „Arbeit“, „Work“ künftig gestaltet sein wird. Unternehmensstrategie, Ziele und Trends wie Digitalisierung, Individualisierung und Flexibilisierung können in konkrete Kernaufgaben oder auch „Work“ übersetzt werden, die von irgendwem, irgendwo, irgendwann und irgendwie erledigt werden: von Menschen, Maschinen oder beiden zusammen. Ziele, Aufgaben, Rollen und Verantwortlichkeiten können sich ändern, ebenso die Art und Weise, wie in Zukunft gearbeitet werden kann und muss.
Ein Kernelement des Zukunftsbildes ist die Gestaltung eines individuellen Future Work-Profils. Dieses beinhaltet die Analyse der Unternehmensstrategie sowie der prognostizierten Megatrends und ihre Auswirkungen auf das Unternehmen. Manche Megatrends werden Einfluss auf alle Unternehmensbereiche haben, andere nur auf einige oder auf einen. Konkrete Fragen hierbei werden sein, wie die Digitalisierung bestehende Geschäftsmodelle, Organisationsformen und die Menschen in der Organisation beeinflussen wird und was digitalisiert werden kann und muss. Es gilt zu klären, welche Rolle Flexibilität in Zukunft spielen wird: bezogen auf Orte, Zeiten und Produkte. Unternehmen müssen erarbeiten, wie ihre zukünftige Organisationsstruktur aussehen wird, welche Talente und Fähigkeiten die Mitarbeiter von Morgen benötigen, welche Art von Führung sie brauchen und welche digitalen Tools, Arbeits- und Kommunikationsmittel sie benötigen.
Future Work Planning – systemische und strategische Zukunftsgestaltung
Für die Entwicklung eines ganzheitlichen Future Work-Profils dienen vier Bereiche als Säulen:
Zukunftsstrategie
- Wie beeinflussen welche Megatrends die Arbeit, die in Zukunft gemacht wird – die Future Work?
- Was bedeutet die Digitalisierung für unser heutiges und zukünftiges Geschäftsmodell?
- Wenn das strategische Ziel Wachstum ist, was bedeutet dies für die Arbeit von Morgen?
- Wie groß muss die Future Workforce sein?
Organisation
- Ausgehend von den zukünftigen Aufgaben: Was wird automatisiert und digitalisiert werden, wo fallen welche Rollen und Aufgaben weg und wo entstehen welche neuen?
- Welche Organisationsstruktur benötigen wir, eine hierarchische oder zum Beispiel eine agile Projektorganisation?
- Welche Führungsmodelle und Strukturen leiten sich daraus ab?
- Welche Arbeitsformen und -modelle sind in Zukunft nötig und möglich? Welche Arbeitszeitmodelle verfolgen wir?
Persönlichkeiten & Fähigkeiten
- Welche Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten brauchen unsere Talente der Zukunft? Welche fachlichen Skills sind erforderlich, was kann erlernt werden?
- Über welche Fähigkeiten wie Innovationsfähigkeit, Offenheit für Neues oder Veränderungsfähigkeit müssen unsere Talente verfügen?
- Welche Arbeitsethik und –werte sollten in unserer Workforce dominieren: eine 9-to-five-Mentalität oder „Arbeit kann überall sein und ist individuell planbar“?
Kultur
- Welche Kultur erfordert die Arbeit der Zukunft, um erfolgreich zu sein? Und welche bringt Future Work mit sich?
- In welcher Kultur sind die Mitarbeiter, die wir brauchen, leistungsstark?
- Welche Bindungsinstrumente sind zukunftsfähig, zum Beispiel Typen- und Lebensphasenorientierte Mitarbeiterbindungskonzepte?
Ist das Future Work-Profil skizziert, gilt es zu erarbeiten, wie das heutige Work-Profil des Unternehmens im Vergleich aussieht. Es gilt zu planen, wie das Unternehmen vom IST-Profil zum angestrebten Future Work-Profil gelangt. Die Handlungsfelder und konkreten Maßnahmen erstrecken sich hierbei oftmals über den ganzen Mitarbeiterlebenszyklus hinweg.
Ein Beispiel für das Handlungsfeld Mitarbeiterbindung: wenn klar ist, wie mein Future Work-Profil aussehen muss und wie mein IST-Profil aussieht, kann ich Bindung differenzierter betrachten und planen. Wen wollen – und müssen – wir unbedingt binden, beispielsweise weil es spezielle Fertigkeiten am Markt nicht mehr geben wird? Wie kann zukunftsfähige Bindung gestaltet werden? Ein Ansatz wäre es, Bindungsangebote individuell zu gestalten, denn der eine wünscht sich mehr Gehalt, der andere Weiterbildungen und ein Dritter wünscht sich mehr Flexibilität, um bei seiner Familie zu sein. Ein weiteres Beispiel: wenn es das strategische Ziel ist, Innovationsfähigkeit zu erhöhen, die heutigen Strukturen aber geprägt sind von Hierarchie und keine zeitlichen und räumlichen Angebote bestehen, um Innovationen zu fördern, was ist zu tun? Ein exemplarisches Handlungsfeld wäre demnach im Bereich Organisationsstruktur und –Kultur zu sehen.
Zukunftsfähigkeit durch Future Work Planning
Future Work Planning ermöglicht Unternehmen eine strategische Zukunftsplanung, abgeleitet aus der Unternehmensstrategie und unter Berücksichtigung der Megatrends. Auf dem Weg in die Zukunft ist Nachhaltigkeit sehr wichtig. Oftmals dominieren Einzelmaßnahmen, Ad-Hoc Themen und Entscheidungen den Unternehmensalltag und gerade die Komplexität des aktuellen Wandels laden dazu ein, kleiner zu denken. Denn ganzheitliche und systemische Ansätze sind im ersten Schritt augenscheinlich aufwendiger, sie gewährleisten jedoch gerade in Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zielgerichtete Maßnahmen.
Zu empfehlen ist eine jährliche Analyse des GAPs zwischen dem zukünftigen Work-Profil und dem aktuellen, um einzuschätzen, welche Maßnahmen Erfolg hatten, welche Themen greifen und welche Veränderungen tatsächlich stattfinden. Zudem ist es entscheidend, flexibel und agil zu bleiben, anstatt „starre“ Zukunftsbilder und -strategien zu entwickeln. Ein solches Vorgehen ermöglicht es Unternehmen, von einem Schlagwort wie „Digitalisierung“ zielgerichtet zu einer strategischen Planung des zukünftigen Work-Profils – und somit der Gesamtorganisation – zu gelangen.